50 Jahre Reha-Verein – wie alles begann

04.01.2024
Außenaufnahme von Haus B der LVR Klinik in Mönchengladbach-Rheydt, Foto: Matthias Jung

Medizin + Co, Januar 2024

Die Zeit der 1960er - 1970er Jahre gilt bis heute als eine psychiatriegeschichtliche Zäsur und als wichtiger Bestandteil des gegenwärtigen Selbstverständnisses der Sozialpsychiatrie. In diese Zeit fällt auch die Gründung des Reha-Vereins.

In den 60er Jahren kennzeichneten eine katastrophale Überbelegung, menschenunwürdige Zustände, Arbeit unter therapiefeindlichen Bedingungen und ähnliches die Psychiatrie in Deutschland. Eine Veränderung bahnte sich an, als im März 1970 einige Abgeordnete des deutschen Bundestages parteiübergreifend einen Antrag in den Bundestag einbrachten, die Lage der bundesdeutschen Psychiatrie zu überprüfen. Der Bundestag beauftragte daraufhin am 31.08.1971 eine Enquete zur Lage der Psychiatrie in der BRD.

In Mönchengladbach wurde in diesem Zusammenhang der Versuch gestartet, eine psychiatrische Klinik in die Gemeinde zu verlagern als Alternative zu den seinerzeit gängigen wohnort- und lebensfernen Anstalten. Die Federführung für den Modellversuch lag bei Dr. Alexander Veltin, dem ersten ärztlichen Leiter der damaligen Landesklinik in Rheydt.
Im August 1972 wurden 35 schwer psychisch erkrankte Patientinnen und Patienten mit Heimatort Rheydt aus der Landesklinik Viersen-Süchteln in die Landesklinik nach Rheydt verlegt. Begleitet wurden sie von einigen ihrer bisherigen Krankenschwestern und –pflegern, die mit den neuen Reformgedanken vertraut und bereit waren, sich auf die Erprobung einzulassen. „Kümmert euch um die schwer Kranken, um die Schwierigsten der Schwierigen, um die, die immer wieder in Krisen in die Klinik kommen, die sonst durch die Maschen fallen, die in ihrer Wohnung verwahrlosen oder vereinsamen. Kümmert euch darum, dass sie nicht untergehen. Das war die zentrale Aufgabe“ erinnert sich Dr. Elmar Spancken, seinerzeit Oberarzt in der Landesklinik. Ärzte, Sozialarbeiter sowie Krankenschwestern und -pfleger arbeiteten gemeinsam im Team und begleiteten die Patientinnen und Patienten auch nach der Entlassung aus der Klinik, boten ambulante Sprechstunden an und machten Hausbesuche, um frühzeitig Hilfestellung anbieten zu können, die Ressourcen des Umfeldes einzubeziehen und nach Möglichkeit erneute Klinikaufenthalte zu vermeiden. „Bei Hausbesuchen lernte man die Angehörigen kennen, und die riefen dann an: „Mit dem Peter geht's wieder los, kommt mal!“ Und dann fuhr man raus, kümmerte sich drum und konnte viele Krisen abwenden oder mit den Angehörigen eine Lösung finden,“ so Spancken weiter.

1973 gründete Dr. Alexander Veltin einen sogenannten Hilfsverein, um die gemeindenahe und außerklinische Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen, den Verein für die Rehabilitation psychisch Kranker. Zusammen mit der Ambulanz der Klinik wurden in Trägerschaft des Vereins außerstationäre Wohnplätze als Wohngemeinschaften gegründet und betreut. Begegnungs- und Kontaktstellen kamen hinzu und so entstand nach und nach ein breites Netz an komplementären Diensten. Als in den 80er und 90er Jahren der Ausbau des komplementären Bereichs gezielt von Politik und Verwaltung gefördert wurde, entstanden weitere Wohnheime, das ambulant Betreute Wohnen, Tagesstätten, Werkstätten und vieles mehr. Von Seiten der Stadt Mönchengladbach gab es von Anfang an breite Unterstützung und eine „Partnerschaft, die von gegenseitigem Vertrauen und gleichen sozialen Zielvorstellungen“ geprägt war, wie sich Dr. Veltin in einem Gespräch mit Eckhard Kleinlützum, dem späteren Geschäftsführer des Reha-Vereins erinnerte.

Heute beschäftigt der Reha-Verein ca. 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist an über 10 Standorten in Mönchengladbach aktiv. Das Leistungsspektrum wurde stets erweitert und die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren des Gesundheits- und Sozialwesens professionalisiert. Als Ergebnis entstand in enger Kooperation mit der LVR-Klinik und dem Sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt der Gemeindepsychiatrische Verbund. Seit seiner Gründung ist der Reha-Verein Mitglied im Paritätischen und damit ein wichtiger Akteur der Wohlfahrtspflege in Mönchengladbach und Nordrhein-Westfalen.

Bild unten: Die Gründungsmitglieder des Reha-Vereins auf einer Fachtagung im Jahr 2023. Von links: Rainer Kukla, ehem. Landesrat des LVR, Dr. Elmar Spancken, ehem. Oberarzt Landesklinik MG- Rheydt, Moderator Klaus Obert, Mechthild Kappetein, ehem. Mitarbeiterin Landesklinik MG-Rheydt, Dr. Ralf Seidel, ehem. Ärztlicher Direktor Landesklinik MG-Rheydt.  Foto: Reha-Verein