Corona-Krise belastet psychisch Kranke auf besondere Weise

08.04.2020
Sascha Schallenburger, Heiko Greis, Jean-Luc Guth und Heike Müller geben Mittagsmahlzeiten aus
Foto: Frau Raupold

Viele Menschen fühlen sich auf Grund der Corona-Schutzmaßnahmen isoliert, aber für Menschen mit psychischen Krankheiten bedeutet die Kontaktsperre noch mehr. Der Verlust einer oft mühsam aufgebauten Tagesstruktur, der Verzicht auf Arbeits- und Freizeitangebote, die Angst vor Ansteckung und die Isolation zu Hause machen Fortschritte im Umgang mit ihrer Krankheit wieder zunichte. „In der Komplettisolation, in die sich etliche zurückziehen, werden sie vermutlich deutlich kränker“, befürchtet Anja Alaoui, beim Verein für die Rehabilitation psychisch Kranker für die ambulanten Dienste zuständig. Der Verein versucht deshalb, der Isolation entgegenzuwirken und Angebote zu machen. Zum Beispiel mit einem Mittagessen zum Abholen.

Die  Hilfe des etwa 200 Mitarbeiter zählenden Vereins nutzen nicht wenigen Menschen in der Stadt. Der ambulante Dienst betreut bis zu 500 Klienten. Im Bereich Arbeit und Beschäftigung stehen rund 300 Plätze zur Verfügung. In einer angegliederten ergotherapeutischen Praxis werden rund 100 Klienten betreut. Wegen der Corona-Maßnahmen musste der Verein seine Angebote für Grupen einstellen, damit fiel auch das Mittagessen weg. Um die Klienten weiter mit einer warmen Mahlzeit und einem festen Anlaufpunkt versorgen zu können, hat der Verein ein kostenloses Essen zum Nach-Hause-Holen eingeführt. Ein wenn auch kurzer menschlicher Kontakt wird so ermöglicht.

Aber Menschen mit psychischen Einschränkungen brauchen mehr: Struktur, sonst gewinnt die Krankheit vielleicht wieder die Oberhand. „Wir laden jetzt zu Einzelkontakten in einer Eins-zu-Eins-Situation ein“, erklärt Sascha Schallenburger, Bereichsleiter Arbeit und Beschäftigung beim Reha-Verein.  Die Menschen, die sonst in Gruppen mit bis zu 15 Teilnehmern gearbeitet haben, werden nun durch verschiedene Beschäftigungsangebote und Aktivitäten im Einzelkontakt betreut „Wir haben den Vorteil, breit aufgestellt zu sein und können so flexibel auf die Situation reagieren“, erklärt Dieter Schax, Geschäftsführer des Vereins.

Klienten, die nicht mehr zu den Gruppenangeboten des Reha-Vereins kommen können, kann auf aufsuchende und beratende Hilfen umgestellt werden. Aber: „Viele lehnen Hausbesuche aus Angst ab und vereinsamen so“, sagt Anja Alaoui. „Die Erfolge, die wir bereits erreicht haben, brechen wieder weg.“

Kontakt lässt sich auch telefonisch aufrechterhalten, auch mit Videotelefonie. So werden wieder so etwas wie Gruppenangebote möglich. Bei denen, die gar nicht ans Telefon gehen und auch nicht auf E-Mails antworten, wird schon mal an der Tür geklopft. Und es werden Bedarfe abgefragt: Wer sich nicht mehr vor die Tür traut, kann sich das Essen auch liefern lassen. Oder die Lebensmittel werden für ihn eingekauft.

Am schwierigsten ist die Situation im kleinen Wohnheim, das der Verein betreibt. Dort leben Menschen mit chronifizierten psychischen Erkrankungen. Das Besuchsverbot zu ertragen ist für die Bewohner schwer. Insgesamt, sagt Schax, sei die Stimmung aber gut: „Wenn die Coronakrise bis zum Ende der Osterferien dauert, kriegen wir das alles hin. Wenn es dann immer noch nicht vorbei ist, wird es zunehmend schwieriger.“ RP - Von Angela Rietdorf, Foto: Frau Raupold.

Ihr Ansprechpartner

Herr Schallenburger
Bereichsleitung Tagesstruktur
Telefon 02161 5768-1701