KipE - Kinder im Blickpunkt

30.10.2020
Foto: Adobe Stock

Bericht im Hindenburger, November 2020:

KipE steht für „Kinder psychisch kranker Eltern“ und ist ein besonderes Beratungsangebot des Reha-Vereins. Es richtet sich vorrangig an Eltern, ist aber auch offen für Kinder, Angehörige, Erziehende und Unterrichtende.

Was ist der Grundgedanke? Väter oder Mütter, die psychisch erkranken, leiden häufig nicht nur unter der Erkrankung selbst, sondern machen sich auch Sorgen, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen können. Sie haben Angst, keine „guten Eltern“ zu sein und ihren Kindern nicht gerecht zu werden. Darüber zu sprechen und sich Hilfe zu holen fällt häufig nicht leicht, da psychische Erkrankungen teilweise weiterhin tabuisiert werden. Über eine Depression oder Angststörung spricht man eben nicht so leicht wie über eine körperliche Erkrankung.

Kinder wiederum merken, wenn es ihren Eltern nicht gut geht und machen sich ihrerseits Sorgen. Teilweise übernehmen sie Verantwortung, die weit über die ihrem Lebensalter angemessene hinausgeht. Sie kümmern sich um Eltern, Haushalt und jüngere Geschwister. Kurz: sie können nicht mehr Kind sein. Und dann besteht die Gefahr, dass diese Kinder selbst irgendwann erkranken.

Genau hier setzt KipE an. Sozialarbeiter und Koordinator Tobias Henke berichtet aus der Praxis:

„Die Beratungsgespräche haben eine hohe Entlastungsfunktion. Wenn Eltern die Möglichkeit haben, in einem vertrauensvollen Rahmen über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen, nimmt das in manchen Fällen schon viel Druck weg. Im Austausch merken sie, dass sie mit ihrem Thema nicht allein sind, sie erfahren Anteilnahme und Wertschätzung. Einzelne gehen soweit gestärkt aus den Beratungen, dass sie sich wieder in der Lage fühlen, ohne weitere Hilfen ihr familiäres Leben weiterzuführen. In den meisten Fällen sind aber weitere Hilfen angezeigt, vor allem um die Kinder zu entlasten und ihnen neue Perspektiven zu bieten. Erziehungsberatung und Paarberatung greifen dabei manchmal ineinander, bei den Gesprächen können die Kinder dabei sein, wenn es passt.
Tobias Henke weist aber darauf hin, dass es bei KipE ausschließlich um Beratung geht und nicht um Therapie. Wenn weitergehende Unterstützung gewünscht wird bzw. erforderlich ist, stellt er Kontakte zu den passenden Stellen her. Möglich ist das durch eine intensive und umfassende Netzwerkarbeit: KipE ist z.B. mit verschiedenen Stellen der Stadt Mönchengladbach vernetzt wie den Frühen Hilfen, der Schulsozialarbeit und dem Gesundheitsamt.

Welche Eltern kommen denn zu KipE und wie finden sie zu diesem Beratungsangebot?
„Die meisten kommen mit einer psychischen Erkrankung in Form einer Depression oder Angststörung, sie müssen aber keine medizinische Diagnose vorlegen“, erläutert Tobias Henke.
Die Beratungsanfragen gehen durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten, eine Zunahme ist bei sehr jungen Eltern zu verzeichnen. Häufig führt eine Empfehlung von Netzwerkpartner*innen zur Kontaktaufnahme, das sind z.B. andere Beratungsstellen, die LVR-Klinik in Rheydt oder die Tageskliniken in Mönchengladbach und Rheydt, auch Jugend- oder Gesundheitsamt machen auf das Angebot aufmerksam, das für die Ratsuchenden kostenfrei ist.

Wenn das Beratungsangebot für Ratsuchende kostenfrei ist, wer finanziert es dann?
Als die Kinder psychisch erkrankter Eltern stärker ins Blickfeld rückten und klar war, dass hier etwas getan werden musste, gab es zunächst von 2011 bis 2013 eine Projektförderung durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR). Danach wurde KipE von der Bezirksregierung für zwei weiter Jahre modellhaft unterstützt. Aber auch private Initiativen wurden auf KipE aufmerksam. So spendete zum Beispiel das Karnevals-Prinzenpaar von 2014, das Ehepaar Hardenack, einen Teil seiner Karnevals-Zuwendungen. Sie hatten das Projekt im Internet entdeckt und waren spontan überzeugt.

Seit 2019 gibt es nun eine neue großzügige Unterstützung: bereits zum zweiten Mal in Folge gewährt die private Stiftung für Kinder und Jugendliche hilfsbedürftiger Familien aus Mönchengladbach KipE eine großzügige Fördersumme. Bei einem Gespräch am 12.Oktober informierten sich die Vorstandsmitglieder der Stiftung, die beiden Töchter des Gründers Cornelia Adrian-Jurk und Doris Reichartz sowie Günter Rütgers über das bisher Erreichte und die aktuellen Planungen.
Auch wenn es in einzelnen Fällen gelingt, die Unterstützung für Kinder und Familien im Rahmen der Regelfinanzierung zu ermöglichen, lebt KipE nach wie vor in erster Linie von Spenden, Stiftungsgeldern und Projektfördermitteln. Aktuell stellt der Landschaftsverband Rheinland wieder eine vorübergehende Förderung der Koordinierungstätigkeiten in Aussicht. Diese muss allerdings gemeinsam mit den relevanten Dienststellen der Stadt Mönchengladbach geplant, beantragt und umgesetzt werden.

Patenprojekt und KIMM-Gruppe:
Neben KipE hat der Reha-Verein zwei weitere Angebote, die zu einer Bereicherung für Kinder und Entlastung für Eltern beitragen können: das Patenprojekt und die KIMM-Gruppe.
Beim Patenprojekt beschäftigen sich ehrenamtliche Patinnen und Paten regelmäßig mit Kindern psychisch kranker Eltern und ermöglichen ihnen so eine unbeschwerte Zeit, in der sie einfach nur Kind sein können. Eltern wiederum erfahren eine „Verschnaufpause“ und erleben dadurch Entlastung. Die Verantwortung für die Erziehung bleibt bei den Eltern, Patenschaft soll kein Elternersatz sein.
Den Kontakt mit Gleichaltrigen wiederum bietet die KIMM-Gruppe (Kinder im Mittelpunkt in Mönchengladbach). In Kooperation mit der evangelischen Jugend- und Familienhilfe entstand hier ein Angebot für 8 – 14jährige Kinder und Jugendliche. Durch Treffen und Gelegenheit zum persönlichen Austausch in der Gruppe soll den Kindern und Jugendlichen ein Stück Alltag und Struktur zurückgegeben und sie im Rahmen des Gruppenangebotes gestärkt und unterstützt werden.

Interesse an einer Patenschaft?
Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, egal ob sie noch studieren, erwerbstätig sind, einen Haushalt führen oder in Rente sind und sich für eine Patenschaft interessieren, sind herzlich willkommen. Sie werden von einer Pädagogik-Fachkraft vorbereitet, außerdem gibt es eine Begleitung in Form von Einzelgesprächen, regelmäßigen Gruppentreffen und Schulungen. Für die Ausgaben erhält man eine pauschale monatliche Aufwandsentschädigung.


Ihr Ansprechpartner

Herr Henke
Teamleitung Tagesstruktur
Mobil 0170 6540739